Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Klimaschutz sind im Finanzwesen angekommen: Auch in der Schweiz ist es nicht mehr egal, wie man Geld macht. Nachhaltige Investitionen sind möglich – aber was heisst nachhaltiges Investment? Es geht um Ökologie: CO2-arme Geschäftsmodelle und die Ökologie zählen.
Während nachhaltige Banken im Nachbarland Deutschland darauf achten, nicht in die Rüstungsindustrie und in Kinderarbeit zu investieren, steht in der Schweiz die Umwelt im Mittelpunkt. Zumindest auf den ersten Blick ist das so. Bei näherer Betrachtung stehen auch hier Unternehmen, die sich für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse und eine saubere Umwelt sowie für Geschlechtergleichstellung engagieren, höher im Kurs. Im Jahr 2020 konnten nachhaltige Fonds in der Schweiz ihr Vermögen um 60 Prozent steigern, wie die Hochschule Luzern feststellte.
Klima und Umwelt boomen
Laut der erwähnten Studie sind vor allem Klimafonds und Umweltfonds sehr beliebt. Allerdings wird auch schnell offensichtlich, dass nicht alle Anlagen wirklich explizit mit positiven Wirkungen auf Umwelt und Gesellschaft werben. Etwa ein Drittel der Nachhaltigkeitsfonds weist wirklich auf eine potenziell positive Wirkung hin, und das sind in erster Linie die Umwelt- und Klimafonds. Trotzdem wäre es übertreiben, die anderen Anbieter des Greenwashing zu bezichtigen. Denn nicht alle jede nachhaltige Anlage ist von der Anlagestrategie her darauf ausgelegt, realwirtschaftlich positiv zu wirken.
2020 war die Anzahl der konventionellen Fonds, die laut Anbieter in nachhaltige Fonds überführt wurden, mit 73 und einem Vermögen von 28 Milliarden Franken ungewöhnlich hoch. Etwa ein Viertel der als nachhaltig bezeichneten Fonds investieren in saubere Energien sowie Anlagen für den Umweltschutz und/oder den Klimaschutz. Nachhaltiges Investment liegt besonders hoch im Kurs bei den Anlegern und Anlegerinnen. Den Grund dafür sieht Manfred Stüttgen von der Hochschule Luzern in der Verständlichkeit. Anders als herkömmliche Finanzprodukte ist ein nachhaltiges Investment für die Anleger und Anlegerinnen leichter verständlich.
Mit der Nachhaltigkeit kam die Transparenz
Nachhaltiges Investment verspricht keine höheren Renditen oder in anderer Art und Weise lukrativere Anlage als herkömmliche Anlagemöglichkeiten. Um Investoren und Investorinnen zu überzeugen, müssen die Anbieter also andere Themen ansprechen. Sie erklären genau, was mit den investierten Geldern geschieht und wie sie arbeiten. Neben Offenheit hinsichtlich der Geschäftspraktiken und Bearbeitungsgebühren, interner Geldflüsse und Investitionen wird auch offen kommuniziert, warum eine Anlage oder ein Unternehmen als nachhaltig eingestuft wird (oder eben nicht).
Nachhaltiges Investment erkennen
Wer sich für nachhaltige Anlagemöglichkeiten interessiert, sollte auf die ESG-Kriterien achten. ESG ist die Abkürzung für Environment, Social, Governance. Eine genaue Definition gibt das Gabler Wirtschaftslexikon: E oder Environment bezieht sich auf Parameter wie Umweltverschmutzung, Umweltgefährdung, die Emission von Treibhausgasen und Energieeffizienz. S wie Social dagegen zielt auf Arbeitssicherheit ab, auf Gesundheitsschutz, gesellschaftliches Engagement und Diversity. Governance, kurz G, meint die nachhaltige Unternehmensführung. Was erst einmal schwammig klingt, meint konkret Unternehmenswerte bis hin zu Steuerungs- und Kontrollprozessen, Risikomanagement und den Umgang mit Korruption. Anhand dieser drei Punkte bewerten Fonds-Manager, ob und wie nachhaltig die jeweiligen Unternehmen wirtschaften.
Allerdings kommen Anleger und Anlegerinnen trotz dieser Wertungen nicht umhin, sich selbst mit den Fonds und Unternehmen auseinanderzusetzen. Denn jeder und jede muss für sich selbst entscheiden, welche Themen und Aspekte bei einem nachhaltigen Investment Vorrang haben. Es ist fast unmöglich Fonds zu finden, die in allen drei Punkten hervorragend abschneiden.
Nicht nur in der Schweiz ein Faktor
Nachhaltiges Investment ist global wichtig. Laut einer Umfrage von Robeco, auf die sich auch das Umweltnetz Schweiz bezieht, bewerten 73 Prozent der Anleger weltweit den Klimawandel als einen wichtigen Faktor für die Ausrichtung ihrer Anlagen.
Ein mögliches Ziel ist eine CO2-freie Ökonomie. Das wird als Netto-Null-Ziel bezeichnet, ist aber nur für 17 Prozent der Investoren und Investorinnen weltweit interessant. Die Anzahl derer, die sich das Netto-Null-Ziel gesetzt haben, nimmt allerdings schon seit einiger Zeit beständig zu. Denn dass eine CO2-arme oder Co2-freie Wirtschaft notwendig ist, wird immer mehr Menschen bewusst.
Heisses Thema!
Wie aktuell eine nachhaltige Anlagestrategie ist, zeigt die Aufregung um die Ethos Stiftung. Diese setzt für nachhaltigere Investitionen ein und verlangt höhere Sorgfaltspflichten und Transparenz für alle Anlagen, die sich mit Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten befassen, sowie hinsichtlich Kinderarbeit. Am 18. Juni 2021 kam es zu einem Zusammenstoss mit Extinction Rebellion. Die Pensionskassen sind Mitglieder bei Ethos, und im Portfolio der Pensionskassen sind Nestlé und Holcim vertreten. Diese beiden Unternehmen sind die grössten Treibhausgasemittenten der Schweizer Börse, wie Ethos selbst darstellt. Was die Aktivisten von Extinction Rebellion nicht wussten: Ethos hat keinen Einfluss darauf, wie genau die Mitglieder ihre Anlagen verteilen.
Die Ethos Stiftung hat sich vor allem in der ersten Hälfte 2021 bemüht, ihre Anlagefonds transparenter zu gestalten. Auch hier zeigt sich der Trend: Nachhaltiges Investment geht mit höherer Transparenz und mehr Informationen einher.
Insbesondere für Privatkunden und -kundinnen
Wenn es um nachhaltige Finanzprodukte geht, muss unterschieden werden zwischen Unternehmen und dem Markt für Privatkunden und -kundinnen. Denn 2020 hat sich der Anteil der Privatkunden in den nachhaltigen Anlagen verdoppelt. Trotzdem liegt der Grossteil der Anlagen immer noch bei den institutionellen Kunden und Kundinnen, mit 79 Prozent ist das Interesse an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten hier deutlich grösser. Allerdings, so vermuten Experten und Expertinnen, wird der Anteil der Privatkunden steigen und irgendwann gleichziehen.
Tipps für Anleger und Anlegerinnen?
Generell ist es schwierig, Anleger und Anlegerinnen hinsichtlich nachhaltiger Finanzprodukte zu beraten. Es gibt Möglichkeiten in der Schweiz, die vom Girokonto bei sozial- und umweltverträglich wirtschaftenden Banken bis hin zu Aktien nachhaltiger Unternehmen reichen. Aber die Beurteilung, welche Investition welche Auswirkungen konkret hat, ist dann im Einzelfall schwierig.
Aus rein finanzieller Sicht spricht erst einmal nichts gegen nachhaltige Anlagen. Dabei sollten sich Anleger und Anlegerinnen aber auch immer bewusst sein, dass Anlagen nach ESG genauso Risiken tragen wie konventionelle Anlagen. Auch wenn die Regulierungen Umweltfreundlichkeit suggerieren, sollte jedes Finanzprodukt noch einmal selbst auf Nachhaltigkeit hinterfragt werden. Und schließlich stehen die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit häufig in Konflikt miteinander und gegebenenfalls mit den Zielen der Anleger und Anlegerinnen. Was genau es zu bedenken gilt, hat das Handelskammerjournal schon im Juni 2020 leicht verständlich dargelegt.